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VdM Musikschulkongress 2017 - Stuttgarter Erklärung

07.06.2017

Verabschiedet in der Bundesversammlung des Verbandes deutscher Musikschulen am 18. Mai 2017 in Stuttgart

Stuttgarter Appell

Der Verband deutscher Musikschulen (VdM) fordert die Träger seiner Mitgliedsschulen auf, den Anteil angestellter Lehrkräfte kontinuierlich zu erhöhen, um die im Positionspapier der Kommunalen Spitzenverbände geforderte Qualität der öffentlichen Musikschulen zu gewährleisten. Nur über qualitätssichernde Rahmen-bedingungen für öffentliche Musikschulen, deren Grundlage die Perspektive einer Festanstellung ist, bleibt das Berufsbild Musikschulpädagoge auch für zukünftige Studienbewerber attraktiv.

Für Musikschulen, die das Ziel einer Vollausstattung mit angestellten Lehrkräften noch nicht erreicht haben, empfiehlt der VdM im Sinne des im Positionspapier der Kommunalen Spitzenverbände (KSV) und im KGSt- Gutachten geforderten "bedarfs-erechten“ Verhältnisses von angestelltem Personal zu Honorarkräften eine stufenweise, in Tempo und Grad an den jeweiligen Rahmenbedingungen orientierte Erhöhung des durch angestellte Lehrkräfte erteilten Unterrichts.

Eine öffentliche Musikschule, wie sie vom VdM in seinem Strukturplan aufgestellt ist, von den Kommunalen Spitzenverbänden in ihrem gemeinsamen Positionspapier gefordert und im KGSt- Gutachten beschrieben wird, ist grundsätzlich nur mit angestellten, weisungsgebundenen und angemessen vergüteten Lehrkräften zu realisieren. Musikschulen, deren Träger von ihren Honorarkräften mehr verlangen als die vertraglich vereinbarten Unterrichtstunden, um eine Qualität zu erreichen, wie sie grundsätzlich nur mit angestellten Lehrkräften zu erreichen ist, vertrauen bisher darauf, dass es keine Kläger bei den Gerichten gibt. Vieles hat sich in letzter Zeit – oft zunächst leise und kaum wahrgenommen – so geändert und so zugespitzt, dass sich die Musikschulen im VdM in ihrer fachlichen Verantwortung für die Träger jetzt zu Wort melden müssen.

1. Die zunächst zur Ergänzung des im Kern durch angestellte Lehrkräfte gesicherten Unterrichtsangebotes eingesetzte „freie Mitarbeit“ hat so zugenommen, dass die vom VdM und den kommunalen Spitzenverbänden eingeforderte Qualität musikalischer Bildung in der Substanz gefährdet ist.

2. Die Sozialgerichte wie auch die Statusfeststellungsprüfungen der Deutschen Rentenversicherungen stellen den Einsatz von Honorarkräften aktuell grundsätzlicher in Frage als jemals zuvor, erhöhen für die Träger das Risiko, einstellen und/oder nachzahlen zu müssen (zusätzlich auch für den Arbeitnehmeranteil) und verunsichern dadurch die Träger öffentlicher Musikschulen.

3. Die gerade in den Kooperationsprojekten mit allgemeinbildenden Schulen und auch Kindertageseinrichtungen unverzichtbare Einbindung in Abstimmungsprozesse mit den PädagogInnen und ErzieherInnen dort sowie die Orientierung der Tätigkeit an inhaltlichen, zeitlichen und räumlichen Vorgaben erfordert Weisungsbindung ebenso wie der „klassische“ Elementar-, Instrumental- und Vokalunterricht.

4. Die Attraktivität des Berufsbildes einer Musikschulpädagogin oder eines Musikschulpädagogen hat durch die mangelnde Perspektive einer Festanstellung so gelitten, dass die Zahl der Bewerbungen für musikpädagogische Studiengänge dramatisch zurückgeht und die konkrete Gefahr besteht, dass es in zehn Jahren keinen ausreichenden qualifizierten Nachwuchs mehr gibt.

5. Darüber hinaus gefährdet eine Fluktuation freiberuflichen Personals hin zu Festanstellungen bei anderen Musikschulen, in andere Länder wie auch in andere Arbeitsbereiche die Kontinuität des Unterrichts.

Nur angestellte Lehrkräfte, die auf das Leistungs-Paket der „Zusammenhangs-tätigkeiten“ verpflichtet sind, können das vollständige, aufeinander abgestimmte, vielfältige und qualitativ hochwertige Angebot der öffentlichen Musikschulen garantieren. Dadurch gewährleisten sie nachhaltige, auf Vertrauen, Verlässlichkeit und auf längere Zeiträume angelegte Bildungsprozesse. Nur sie ermöglichen ein für alle Lehrkräfte verpflichtendes Fortbildungsprogramm, eine intensive beratende Zusammenarbeit mit den Eltern, nur sie garantieren eine Begabtenförderung, die sich an den Bedürfnissen und Chancen der Schülerinnen und Schüler orientiert, nur sie erlauben notwendige zusätzliche Aktivitäten für gelingende Inklusion, nur sie eröffnen einen flexiblen Einsatz für kurzfristige notwendige Vertretungen, für Aktionen und Projekte der Musikschule an Wochenenden und in den Ferien, nur sie gewährleisten die regelmäßige Teilnahme an Konferenzen der Fachbereiche, der Stadtteilzentren oder im Rahmen von Projektplanung und -begleitung, nur sie stellen damit eine fachlich-inhaltliche Weiterentwicklung der Musikschularbeit sicher.

Gerade die Zusammenarbeit mit den allgemeinbildenden Schulen verlangt – heute mehr denn je – nach einer vertieften Abstimmung, die einen deutlich über den „Netto“-Unterricht hinausgehenden Zeitaufwand erfordert und die Einbindung in schulische Abläufe nach sich zieht. Auch die künstlerischpädagogische Abstimmung zwischen Elementarer Musikpädagogik, Instrumental-/Vokalunterricht und Ensemble-arbeit braucht Zeit und Flexibilität. All dies müsste bei einem fairen und Rechts-sicherheit bietenden Einsatz von Honorarkräften noch zusätzlich vereinbart und honoriert werden.

Erst ein solcher Bildungsorganismus rechtfertigt – neben den Zugangsmöglichkeiten für alle Bevölkerungsschichten und der garantierten Qualität examinierter Lehrkräfte - den Einsatz öffentlicher Mittel für eine öffentliche Musikschule. Die öffentlichen Mittel, die den Einsatz von weisungsgebundenen, angestellten Lehrkräften ermöglichen, gewährleisten damit genau das pädagogische Plus und den bildungs-politischen Mehrwert, womit sich eine öffentliche Musikschule von anderen Angeboten unterscheidet. Dies ist auch die Erwartung der Träger an ihre öffentlichen Musikschulen. Hierzu bedarf es neben einer professionellen Führung, die diese Leistungen einfordert und sinnvoll einsetzt, einer entsprechenden finanziellen Ausstattung der Musikschulen durch die Kommunen als Träger und ebenso durch die Länder, die hier gleichermaßen verantwortlich für das Bildungsgeschehen sind. Denn Musikschulen ermöglichen eine Berufs-/Studienvorbereitung, die im staatlichen Schulsystem nicht geleistet werden kann.

Es gibt allerdings Rahmenbedingungen und Anlässe vor Ort, die den Einsatz von Honorarkräften in einzelnen Fällen sinnvoll erscheinen lassen, sofern eine Weisungs-bindung vermieden werden kann. Zum Beispiel, um Lehrkräfte verpflichten zu können, die anderweitig vollbeschäftigt – etwa an anderen Musikschulen, an Musikhochschulen, an Universitäten, in Orchestern etc. – sind, um Lehrkräfte im Rahmen von zeitlich begrenzten Projekten flexibel einsetzen zu können, um Musikstudierende einsetzen zu können.

Die unverzichtbare Weisungsbindung rechtfertigt und erfordert aus Sicht des VdM klar eine Entscheidung zugunsten von Anstellungsverhältnissen. Dies gilt sowohl für den qualitätsorientierten Unterricht in den Bereichen Elementare Musikerziehung, Instrumental-/Vokalausbildung und Ensemblearbeit als auch im Zusammenhang mit musikschulspezifischen Aufgabenstellungen wie Kooperation mit allgemeinbildenden Schulen und Kindertageseinrichtungen, Inklusion, Ensemblearbeit, Stadtteilarbeit und Projektarbeit. Bei der in den Papieren von KSV und KGSt geforderten Qualität liegen die Personalkosten für angestellte Lehrkräfte zudem nicht wesentlich über den Kosten für Honorarkräfte, die für die vergleichbaren Leistungen entsprechend zusätzlich vergütet werden müssen.